Bad Soden, Deutschland,
11
Dezember
2017
|
08:00
Europe/Amsterdam

Starker Schutz für edle Tropfen

Gase schonen und erhalten Aromastoffe in der Weinherstellung
Winzer und Weinkenner wissen, dass die Qualität eines Weins „in den Reben“ entsteht. Denn nur was sich während der Reife in den Weintrauben angesammelt hat, kann später den Gaumen des Genießers verwöhnen. Dazu gehören rund tausend flüchtige Verbindungen, welche die Önologie – die Wissenschaft vom Wein – bisher identifiziert hat. Die vornehmste Aufgabe des Kellermeisters ist es, soviel wie möglich von diesen Geschmacksbildnern in die Flasche zu bekommen. Dabei muss er allerdings mit starken Widersachern fertigwerden: Bakterien, Pilze, Wärme und Sauerstoff bedrohen die empfindlichen Aromastoffe. In der modernen Weinherstellung gehören Gase zu den Mitteln der Wahl, um diese Gegner in Schach zu halten.

Jeder Winzer freut sich über sonniges und trockenes Wetter in der Lesezeit. Die Trauben bekommen noch einen letzten Reifeschub und das Lesegut bleibt gesund – nur so können wirklich große Jahrgänge entstehen. Allerdings begünstigt der warme Herbst auch eine vorschnelle Gärung. Sobald die Weinbeeren von den Rispen der Traube gezogen und dabei angequetscht worden sind, beginnt der Angriff der allgegenwärtigen Mikroorganismen auf die Maische. Sie vermehren sich bei warmen Temperaturen besonders schnell. Wenn der Winzer nichts dagegen tut, beginnen sie sofort mit dem Umbau des Fruchtzuckers in Alkohol.

Gefahr im goldenen Oktober
Dieser Umbau, die Gärung, macht aus dem Saft der Trauben zwar den Wein, käme hier jedoch zu früh. Denn die Maische braucht etwas Zeit, damit sich vorher noch wichtige Inhaltsstoffe aus der Beerenhaut lösen können. Dazu gehört ein Teil der Aromastoffe, die dem Wein zu seinem fruchtigen Geschmack verhelfen. Die Tannine, die für den „Körper“ des Weins unerlässlich sind, sowie Farbstoffe, die ihm seinen schillernden Glanz verleihen, stammen ebenfalls überwiegend aus der Beerenhaut und werden vor der Gärung extrahiert.

Färbendes Schalenbad
Damit dieser subtile Vorgang nicht durch die vorzeitige Aktivität der alkoholbildenden Hefezellen gestört wird, setzen viele Kellermeister auf die sogenannte Kaltmazeration. Das Verfahren wurde ursprünglich im Burgund entwickelt, um der nicht sehr farbintensiven Rotweinsorte Pinot Noir (Spätburgunder) zu mehr dunkler Dichte zu verhelfen. Meist wird eine Temperatur von etwa fünf Grad Celsius angestrebt. Erreicht wird sie, indem minus 78 Grad kaltes Trockeneis zugegeben wird. Das tiefkalte Kohlendioxid kühlt die Maische nicht nur auf die gewünschte Wärmestufe ab, sondern hält auch die Umgebungsluft von ihr fern: Es geht aus dem festen in den gasförmigen Zustand über (Sublimation) und steigt aus der Maische auf, bleibt aber – da es schwerer als Luft ist – als CO2-Wolke auf ihr liegen. Nach einiger Zeit, darf die Gärung endlich beginnen. Bei gutem Rotwein findet sie „auf der Maische“ statt – Most und Beerenhäute bleiben zusammen. Beim Weißwein werden beide zuvor getrennt. Die Maische wird abgepresst, der Most wird geklärt, also von Trübstoffen wie verbleibenden kleinen Partikeln der Beerenhaut und ähnlichem befreit.

Für diesen Prozessschritt kommt heute bei größeren Chargen vor allem das Flotationsverfahren zum Einsatz. Viele Betriebe verwenden dafür Stickstoff, der nicht mit den empfindlichen Inhaltsstoffen reagiert. In einem Drucktank wird Stickstoff in den Rebensaft eingeleitet. Bei fünf bis sechs bar bleibt er in der Flüssigkeit gebunden, löst sich aber wieder, sobald der Druck gemindert wird. Gasbläschen steigen auf, bleiben dabei an den Teilchen haften und lassen diese mit an die Oberfläche schweben. Unten bleibt klarer Most, der einfach abgezogen werden kann. Das Verfahren funktioniert auch mit Druckluft, doch der in ihr enthaltene Sauerstoff kann unerwünschte Reaktionen, Oxidation und einen Aromaverlust bewirken.

Gasflut im Tank
Während der Gärung produzieren die beteiligten Mikroorganismen selbst reichlich Kohlendioxid, so dass in dieser Phase keine Luft in die Gärtanks gelangen kann. Doch bevor diese gefüllt werden, und auch einige Wochen später, beim Umfüllen des vergorenen Jungweins in den Lagertank, stellt sich wieder die Frage, wie der Kontakt mit dem unerwünschten Sauerstoff vermieden werden kann. Die beste Lösung um geschmackliche und farbliche Veränderungen auszuschließen, ist der Einsatz reaktionsträger Gase – Stickstoff oder Argon bei Rot- und Kohlendioxid bei Weißwein. Diese Gase verdrängen die Luft bei der Lagerung, beim Umpumpen oder bei der Abfüllung von Wein und verhindern so eine Oxidation durch Luftsauerstoff. Sie werden in Gasetanks oder Gasflaschen gelagert und über Rohr- oder Schlauchleitungen bei Bedarf dosiert. Eine weitere, sehr einfache Methode zur Tankinertisierung: Eine abgemessene Menge Trockeneis wird manuell in den leeren Tank gegeben. Dort sublimiert es zu gasförmigem Kohlendioxid und drückt die Luft durch die obere Tanköffnung hinaus.

Dieselben Schutzgasverfahren werden angewandt, wenn verschiedene Weine zu einer Cuvée verschnitten werden, wie das zum Beispiel bei den meisten der edlen Bordeaux-Weine geschieht. Die teuren Tropfen werden aus den Weinen verschiedener Rebsorten zusammengestellt, die zunächst getrennt ausgebaut und später vermischt werden. Natürlich ist auch hier jeder vermeidbare Sauerstoffkontakt unerwünscht und mit dem Einsatz inerter Gase lässt er sich verhindern. Wenn der Winzer den Wein später aus Edelstahl-Weintanks auf Flaschen zieht, geschieht das oft in mehreren Arbeitsgängen. Es bleiben also halbvolle Tanks zurück, nicht selten über längere Zeit. In ihnen ist eine Schicht aus dem relativ schweren Edelgas Argon, der effizienteste Schutz vor der geschmackzerstörenden Oxidation. Es wird in der Regel in einem Stickstoff-Argon-Gemisch eingesetzt und kann übrigens auch bei angebrochenen Flaschen dem Wein seine Frische und Aromenvielfalt bewahren.