Bad Soden, Deutschland,
08
Dezember
2017
|
09:00
Europe/Amsterdam

Gase und Getränke

Ein Überblick über die wichtigsten Gase-Anwendungen für die Getränkeindustrie

Wichtige Prozesse in der Getränkeindustrie sind nur mit Gasen möglich. Die wichtigste Anwendung ist seit über einhundert Jahren das Karbonisieren von alkoholfreien Getränken und Bier. Gase helfen außerdem vor allem bei der Tankinertisierung und der Abfüllung, die Qualität der Produkte zu schützen. Ohne Stickstoff für die Druckstabilisierung wären Lagerung und Transport von nicht karbonisierten Getränken aufwändiger und teurer. Seit einigen Jahren werden Gase zunehmend auch bei der Weinbereitung eingesetzt und erleichtern dort die Herstellung von Weinen in höchster Qualität.

Seit 1879, dem Geburtsjahr ihrer industriellen Produktion, wird Kohlendioxid (CO2) in der Herstellung von Mineralwasser und Bier verwendet. Inzwischen sind viele weitere Getränke hinzugekommen, die ebenfalls mit CO2 versetzt, also karbonisiert werden. Auch andere Gase, wie Stickstoff und Argon, sind heute aus der Herstellung und Abfüllung von Getränken nicht mehr wegzudenken. Neben dem Karbonisieren werden Gase vor allem zum Inertisieren, das heißt, zum Verdrängen von Sauerstoff, und zur Druckstabilisierung eingesetzt. In der modernen Weinbereitung dienen sie zum Stabilisieren, als Oxidationsschutz und zur Maischekühlung.

Was Gase können
Kohlendioxid kann einiges mehr als nur Getränke zum Sprudeln zu bringen. Das Gas ist farb- und geruchlos und lässt sich in Wasser gut lösen. Es wirkt bei hohen Konzentrationen bakteriostatisch und verlängert damit die Haltbarkeit von Getränken. Aufsteigende CO2–Bläschen verdrängen die Luft über der Oberfläche des Getränks und reduzieren so die Oxidation. Wird es als minus 78 Grad Celsius kaltes Trockeneis eingesetzt, kühlt CO2 mit einem Kälteinhalt von über 570 Kilojoule pro Kilogramm.

Stickstoff und Argon haben eine sehr geringe Löslichkeit in Wasser und verhalten sich neutral und reagieren kaum oder gar nicht mit anderen Stoffen. Darüber hinaus sind sie farblos, geruchlos, geschmackslos und ungiftig. Sie können den Sauerstoff aus einem Behälter verdrängen und als inerte Gase die Oxidation der Getränke verhindern. Stickstoff und Argon sind wie Kohlendioxid natürliche Bestandteile der Luft und als Lebensmittelgase zugelassen. Für eine kontrollierte Oxidation in der Weinbereitung wird genau dosierter Sauerstoff eingesetzt.

Karbonisieren
Unter Karbonisieren versteht man das Lösen von Kohlendioxid in Flüssigkeiten wie Bier (circa fünf Gramm je Liter), alkoholfreien Erfrischungsgetränken (fünf bis neun Gramm je Liter) und Perl- oder Schaumwein (circa 2,5 Gramm je Liter). Der Grad der Karbonisierung, also die Menge des gelösten CO2, hängt vom Druck, der Temperatur, dem Luft- oder Sauerstoffgehalt vor dem Prozess, der Oberflächengröße und der Zeit ab. Die Flüssigkeit sollte vor dem Karbonisieren entgast werden. Dabei sollte die Temperatur möglichst niedrig sein, damit der Vorgang bei geringem Druck stattfinden kann. Darüber hinaus lässt sich Zeit sparen, wenn die Kontaktfläche zwischen Gas und Flüssigkeit möglichst groß ist.

Da alle Getränke zum größten Teil aus Wasser bestehen, wird nachstehend als Referenz die Löslichkeit in Wasser zugrunde gelegt. Sie reicht von vier Gramm pro Liter für Bier oder Mineralwasser bis zu 14 Gramm pro Liter für Sekt oder Champagner.

Gerade weil die Kohlensäure sich gut in Wasser löst, entsteht der oft so geschätzte Sprudeleffekt. Alkohol oder Süßungsmittel können den Sättigungsdruck von CO2 beeinflussen. Die Löslichkeit hängt außerdem von Druck und Temperatur ab. Der Gleichgewichtsdruck für sieben Gramm CO2 in einem Liter Wasser beträgt 2,5 bar bei einer Temperatur von fünf Grad Celsius.

Technische Lösungen
Im einfachsten Fall wird der Produktbehälter mit CO2 vorgespannt. Je nach Druck und Temperatur löst sich das CO2, bis es im Produkt gesättigt ist. Dieses Prinzip stammt noch aus der Zeit, in der die industrielle Herstellung von karbonisierten Getränken begann und wird aus verfahrenstechnischen Gründen hauptsächlich für Getränke mit hohem CO2-Gehalt eingesetzt. Systeme mit statischen Mischern oder Düsensystemen ermöglichen es, das CO2 in-line und weitgehend unabhängig von Druck und Temperatur im Produkt zu lösen. Um beim Kühlen des Produktes vor dem Karbonisieren Energie zu sparen, kann in vielen Fällen die Verdampferkälte der CO2-Tankanlage dafür herangezogen werden.

Spargen
Beim Spargen wird Gas mit Hilfe eines porösen Metallkörpers, einer aus Sintermetall gefertigten Fritte, in die Flüssigkeit eingebracht. Dabei entstehen feine Gasperlen und schaffen eine vergrößerte Oberfläche zwischen Gas und Flüssigkeit. In Karbonisieranlagen kann feinperliges CO2 mit Hilfe eines Spargers eingebracht werden, um durch die Oberflächenvergrößerung den Lösungsprozess zu verbessern.

Inertisieren
Beim Inertisieren wird ein reaktiver Zustand durch Zugabe von inerten Stoffen in einen nicht reaktiven oder trägen Zustand überführt. In der Getränkeverarbeitung geht es darum, den Luftsauerstoff aus einem Behälter oder einer Flüssigkeit unter Einsatz eines inerten Gases zu entfernen, um es vor Oxidation zu schützen. Diese könnte Geruch, Geschmack, Farbe und die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe beeinträchtigen. Als Inertgas eignen sich Stickstoff, Kohlendioxid und Argon.

Eine einfache Methode ist das Spülen (Purging) von leeren Tanks mit einem Inertgas, wie Stickstoff oder Kohlendioxid, bis der gewünschte Verdünnungsgrad des Luftsauerstoffs erreicht ist. Der Verbrauch an Inertgas beträgt dabei üblicherweise das 1,3- bis Dreifache des Tankvolumens, je nach gewünschtem Inertisierungsgrad. Schlanke Behälter sind leichter zu inertisieren als solche mit gedrungener Form. Bei einem großen Tankdurchmesser im Verhältnis zur Höhe strömt die Luft teilweise zurück oder im Kreis und erschwert so den Inertisierungsprozess.

Bei teilweise gefüllten Behältern wird der Raum über dem Produkt, der Kopfraum, inertisiert. Dazu muss das Inertgas so durch die obere Tanköffnung eingebracht werden, dass die zu verdrängende Luft gleichzeitig aus dem Kopfraum hinausströmen kann.

Der Gasverbrauch ist hier wesentlich höher als bei der Tankinertisierung. Bei einem bar Atmosphärendruck gilt zum Beispiel für den Verbrauch von Stickstoff: Es werden circa drei Kubikmeter N2 je Kubikmeter Kopfraumvolumen benötigt, um zwei Prozent Restsauerstoff zu erreichen, aber circa fünf Kubikmeter N2 je Kubikmeter Kopfraumvolumen für ein Prozent Restsauerstoff.

Blanketing
Hier ist es das Ziel, die stationäre Bedeckung des Produktes mit Inertgas aufrechtzuerhalten. Dabei wird ein Restsauerstoffgehalt von null Prozent angestrebt. Bei Veränderung des Produktfüllstands muss das Gas entsprechend aufgefüllt werden. Bei druckloser Lagerung liegt der Verbrauch bei etwa 1,1 Kubikmeter N2 je Kubikmeter Produktentnahme. Wenn Produkt nachgefüllt wird, muss das verdrängte Gas herausströmen können, damit kein Überdruck entsteht.

Bei einer Überdruck-Lagerung mit einem Tanküberdruck von beispielsweise 300 Millibar beträgt der Verbrauch von Inertgas 1,3 Kubikmeter je Kubikmeter Produktentnahme. Auch hier muss das Gas mit geeigneten Überströmventilen im gleichen Verhältnis herausströmen können, um den Druck konstant zu halten, wenn Produkt eingefüllt wird.

Strippen
Beim Strippen wird ähnlich wie beim Spargen feinperliges Gas in eine Flüssigkeit eingebracht, hier aber, um ein anderes Gas zu verdrängen. In der Praxis wird so mit Hilfe von Stickstoff der unerwünschte Sauerstoff aus Wasser, Fruchtsaft oder Wein entfernt.

Abfüllung
Für die Abfüllung von Getränken sind zahlreiche verschiedene Systeme im Einsatz. Sie werden von den Herstellern immer weiter verbessert, um den unerwünschten Eintrag von Luftsauerstoff zu verringern. Zwei der am häufigsten verwendeten Verfahrensprinzipien sind die Überdruckfüllung und die Vorevakuierung mit anschließender Rückbegasung.

Bei der Überdruckfüllung werden Getränkeflaschen mit einem inerten Gas auf den Produktdruck vorgespannt. Die Befüllung an der Innenwand der Flasche entlang verringert die Oberflächenkontraktion und begrenzt die Sauerstoffaufnahme auf lediglich 0,2 bis 0,3 Milligramm pro Flasche. In den meisten Anlagen gibt es keine Vorkehrungen für die Rückgewinnung des Vorspanngases, was die Effizienz des Gaseinsatzes reduziert. Der Gasverbrauch beträgt immerhin das zwei- bis dreifache Flaschenvolumen, und der Vorspannvorgang benötigt Zeit.

Effizienter ist es, wenn die Flaschen zunächst evakuiert, anschließend mit Stickstoff oder Kohlendioxid rückbegast und erst dann befüllt werden. Der Gasverbrauch entspricht dann maximal dem einfachen Flaschenvolumen. Der Restsauerstoff beträgt nur etwa 0,1 bis 0,2 Milligramm pro Flasche.

Bei der Abfüllung von stillen Getränken kann mit einer einfachen Sparging-Vorrichtung für einen sauerstofffreien Kopfraum in der Flasche gesorgt werden.

Gasförmiger Stickstoff wird mit einer Fritte in den abzufüllenden Produktstrom eingetragen. Da der Stickstoff sich kaum in Wasser löst, steigen feine N2-Gasperlen in der Flasche auf und verdrängen den Luftsauerstoff vor dem Verkapseln. Das Ergebnis ist ein sauerstofffrei abgefülltes Getränk. Bei karbonisierten Getränken ist dieses Verfahren allerdings ausgeschlossen, weil der Stickstoff das Kohlendioxid heraustreiben würde.

Druckstabilisierung für Getränkedosen und PET-Flaschen
Getränkedosen und dünnwandige PET-Flaschen mit stillen Getränken sind ohne Druckstabilisierung nicht stapelfähig. Das lässt sich durch Hinzufügen einiger Tropfen flüssigen Stickstoffs auf die Oberfläche des Getränks vor dem Verschließen ändern. Das Verdampfen der Stickstoff-Tropfen bewirkt einen Druckanstieg im versiegelten Behälter. Die Behälter erlangen so größere Stabilität und können gestapelt werden. Der Stickstoff im Kopfraum schützt das Produkt vor Oxidation und verlängert die Haltbarkeit.

Wein
In der Weinbereitung können Gase auf vielfältige Art eingesetzt werden, um die Qualität des Endprodukts zu steigern. Hierbei kann auch Sauerstoff eine Rolle spielen.

Kühlung
Bereits bei der Traubenannahme schützt die Kühlung mit CO2-Trockeneis die Früchte vor einem unerwünscht frühen Einsetzen der Fermentation. Das Gleiche gilt für die Maische, wenn sie durch Zugabe von Trockeneis-Pellets auf einer niedrigen Temperatur gehalten wird. Dies führt zur sogenannten Kaltmazeration, bei der die Fermentation verzögert und die Extraktion der Aromastoffe aus der Traubenhaut unterstützt wird. Als erwünschter Nebeneffekt hält aufsteigendes CO2 den Luftsauerstoff fern und schützt die Maische oder den Most vor Oxidation. Trockeneis besitzt eine hohe Kühlleistung und hinterlässt kein Schmelzwasser. Es sichert den kontrollierten Beginn der Fermentation und bietet der Maische bis dahin zudem einen mikrobiologischen Schutz.

Inertisierung von Weintanks
Die Inertisierung der Weintanks verhindert den schädlichen Einfluss von Sauerstoff. Bei Weißwein wird üblicherweise CO2 als Trockeneis-Schnee oder in Form von Pellets verwendet. Für Rotweine ist Stickstoff oder ein Stickstoff-Argon-Gemisch besser geeignet, weil hier eine mögliche Aufkarbonisierung unerwünscht ist. Ist der CO2-Gehalt im Wein zu hoch, kann das Kohlendioxid durch Spargen mit Stickstoff auf den gewünschten Wert reduziert werden. Beim Ein- oder Auslagern des Weines lässt sich das Spargen in den Umfüllvorgang integrieren.

Mikrooxidation
Durch die gezielte Oxidation von Gerbstoffen mit reinem Sauerstoff erzielt man auch bei verkürzter Lagerung einen harmonischen Wein. Dabei werden sehr kleine Mengen des Gases über einen langen Zeitraum zugeführt. Eine Überoxidation, die die Aromastoffe zerstören würde, ist natürlich zu vermeiden. Typische Mengen für die Mikrooxidation liegen zwischen 0,5 und zwölf Milligramm pro Liter Wein und Monat.